Mittwoch, 21. Oktober 2015
Thema: SPD
Der Begriff entstammt den Kommunikationswissenschaften und beschreibt den Einflussbereich der Medien. So haben Medien keinen großen Einfluss darauf, was die Menschen zu bestimmten Themen denken, aber sie haben einen erheblichen Einfluss darauf, worüber die Menschen nachdenken. Die Spiegelberichterstattung über das gekaufte „Sommermärchen WM 2006“ kann vermutlich als erfolgreiches Agenda-Setting gewertet werden. Zwar muss niemand daran glauben, dass der DFB bei der Vergabe der WM Entscheider mit finanziellen Zuwendungen unterstützt hätte, aber dass darüber breit geredet wird, das ist eindeutig.

Man kann den Begriff aber auch in den politischen Raum übertragen. Hier beschreibt er dann relativ zutreffend die Situation von Oppositionsparteien. Diese haben meist keinen entscheidenden Einfluss darauf, welche Entscheidungen zu bestimmten Themen in politischen Gremien getroffen werden, aber es muss einer Oppositionspartei gelingen, dass die Öffentlichkeit über ihre Themen redet.

Regierungsparteien haben ein Regierungsprogramm, einen Koalitionsvertrag, in dem die Ziele für die Legislaturperiode beschrieben sind, sozusagen die Regierungsagenda.
Und dann hat eine Regierung die von außen einschlagenden Themen, die behandelt werden müssen: ein Oderhochwasser, eine Wirtschaftskrise, ein Krieg vor der Haustüre oder ganz aktuell: Flüchtlinge.

Hier muss eine Regierung Handlungsfähigkeit beweisen. Oppositionsparteien stehen daneben und können den Gang der Ereignisse meist nur kommentierend begleiten.

Umso wichtiger ist es für Oppositionsparteien, eigene Themen zu platzieren, erfolgreiches Agenda-Setting zu betreiben.
Wenn man diese allgemeinen Überlegungen auf die lokale Ebene herunterbricht, so stellt man fest, dass sich eigentlich überraschend wenig ändert. Klar, die Dimensionen sind andere. Koalitionsverträge behandeln statt der Energiewende die energetische Sanierung von Gebäuden, statt Autobahnbau und Mautplänen geht es um die Sanierung von Straßen, um lokale Verkehrsentwicklungspläne und die Entwicklung der Innenstadt. Kriege sind weiter weg, die Wirtschaftskrise sieht vor der eigenen Haustüre etwas weniger dramatisch aus und lokal redet man nicht von einer halben Million Flüchtlingen, sondern von 300, die dringend ein festes Dach überm Kopf brauchen.

Aber Opposition hat ja eine funktionale Bedeutung in einer Demokratie, weswegen Claudia Stamm, MdL des bayerischen Landtags zu Recht befand, dass "eine Opposition an Berechtigung verliert, wenn sie auf Dauer simuliert, Regierung zu sein".

Das klingt nun zu groß für die Kommunalpolitik, behält aber doch seine Richtigkeit, weil auch auf kommunaler Ebene die grundsätzlichen Regeln der Demokratie nicht außer Kraft gesetzt sind. Innerhalb einer Demokratie bedarf es einer erkennbaren Gegenposition zu denjenigen Parteien, die das Heft des Handelns in der Hand haben. In Frechen ist dies die Jamaikakoalition und ihre Bürgermeisterin S.Stupp.

Das ist aber keine neue Situation. Das ist seit 1998 so, als der CDU-ler H.W.Meier zum Bürgermeister gewählt wurde und seine CDU die absolute Mehrheit im Rat gewann. Seitdem wartet Frechen auf eine Opposition, die ihrem Namen Ehre macht.

Gibt es irgendein Thema innerhalb der letzten 10 Jahre, das fest mit dem Namen der SPD verknüpft ist? Ist es der SPD in irgendeinem der Kommunalwahlkämpfe gelungen, ein eigenes Thema zu präsentieren, ein SPD-Thema sozusagen?
Und wie sah es im erst kürzlich beendeten SPD-Bürgermeisterwahlkampf aus? Gab es da ein Thema, das mit dem SPD-Kandidaten verknüpft worden ist?

Richtig, wer sich erinnert, wer durch die Presse blättert, steht vor dem „erstaunlichen“ Phänomen, dass die Frechener SPD seit rund 15 Jahren ohne eigene Themen durch die Gegend eiert. Es gibt nichts, aber man widerspreche mir, wenn ich mich täusche, es gibt kein politisches Thema, bei dem man sagen könnte: „Boaaa, da hat die SPD aber was auf’s Tableau gebracht, gut dass das endlich mal angesprochen wird.“ Nein, es findet sich nichts.

Es soll Menschen in Frechen gegeben haben, die beruflich bedingt während der Bürgermeisterwahl im Ausland weilten, zurückkamen, das Ergebnis zur Kenntnis nahmen und fragen: „Und, wer ist bei der SPD zurückgetreten?“

Die Folgenlosigkeit politischer Niederlagen in der lokalen SPD machte fassungslos.

Zusammen mit der, möglicherweise der Überalterung der SPD geschuldeten, politischen Konzeptionslosigkeit, ist es jedoch eine Gewähr dauerhafter Regierungsfähigkeit der aktuellen Jamaikakoalition. Die Oppositionsrolle in Frechen ist unbesetzt, womit aber auch die Funktionsfähigkeit demokratischer Prozesse in Frage gestellt ist.
Wer Wahlmüdigkeit, politische Abstinenz und die Auswüchse von Wutbürgertum beklagt, findet wesentliche Ursachen in der Selbstbeschädigung der Demokratie durch die Abdankung jeglicher Opposition.

Und das beginnt eben nicht erst in Düsseldorf oder Berlin. Das beginnt unten, an den Graswurzeln der Demokratie: in den Kommunen. Einer ernstzunehmenden Opposition muss es gelingen, eigene Themen zu setzen, erfolgreiches Agenda-Setting zu betrieben. Andernfalls braucht man sie nicht!

Ach ja, die JuSo-Bundesvorsitzende Johanna Ueckermann hat das sehr einfach zusammengefasst:
Mein Eindruck ist: Der SPD fehlen vor allem zwei Dinge, Haltung und Mut. Sie will es sich mit niemandem verscherzen. Aber Wischiwaschi hilft uns nicht. Wir müssen aus unseren Überzeugungen heraus klare Positionen ableiten und für diese kämpfen. Wenn wir für etwas brennen, überzeugen wir auch andere.
Und wofür brennt die Frechener SPD?