Freitag, 18. September 2015
von Ottmar Edenhofer
Kohle erlebt eine Renaissance - dank enorm hoher Subventionen. Das schadet dem Klima und den Menschen, kommentiert Ottmar Edenhofer vom Berliner Mercator Research Institute on Global Commons and Climate Change. Denn das Geld ließe sich besser nutzen.

Weniger als drei Monate vor Beginn der Weltklimakonferenz in Paris haben inzwischen Dutzende Staaten ihre nationalen Klimaschutzziele vorgelegt – darunter auch China und die USA. So manch einer wähnt bereits eine Wende für den weltweiten Klimaschutz zum Greifen nahe. Doch bislang sieht es nicht so aus, als ob das, was jetzt an Zugeständnissen der Staaten auf dem Tisch liegt, ausreichen würde, um die Erwärmung der globalen Mitteltemperatur auf nicht mehr als zwei Grad Celsius zu begrenzen.

Denn selbst wenn der politische Wille zum Klimaschutz in den kommenden Wochen noch deutlicher artikuliert wird – die Fakten sprechen derzeit leider eine andere Sprache: Wir erleben eine Renaissance der Kohle. Vor allem arme, aber schnell wachsende Entwicklungsländer investieren gerade massiv in den Bau neuer Kohlekraftwerke. Sie begeben sich damit auf eine Pfadabhängigkeit, die dem Weltklima noch über Jahrzehnte schwer zu schaffen machen wird. Konkret heißt das: Wenn nur ein Drittel der weltweiten Planungen von Kohlekraftwerken Realität wird, wäre das globale Kohlenstoffbudget zum Erreichen des Zwei-Grad-Ziels bereits nahezu aufgebraucht.

Denn insgesamt kann die Atmosphäre nur zirka 1000 Gigatonnen CO2 aufnehmen, wenn wir das Zwei-Grad-Ziel mit hoher Wahrscheinlichkeit erreichen wollen. Es lagern dagegen noch rund 15 000 Gigatonnen an CO2 in Form von fossilen Brennstoffen in der Erde. Mindestens 40 Prozent des Öls, 40 Prozent des Gases und vor allem 80 Prozent der andernfalls genutzten Kohle müssen also im Boden bleiben.

Weltweit subventionieren die Staaten Öl, Gas und Kohle mit 150 US-Dollar je Tonne CO2 – wenn man alle sozialen Kosten mit einrechnet

Danach sieht es momentan allerdings nicht aus – denn Kohle ist weltweit als Energielieferant spottbillig. Es gibt große Vorkommen, und der Kohlepreis ist relativ zu Erdgas oder erneuerbaren Energien sehr niedrig. Und vor allem: Weltweit subventionieren die Staaten den Einsatz von Öl, Gas und Kohle mit 150 US-Dollar je Tonne CO2, wenn man alle sozialen Kosten – beispielsweise Gesundheitsschäden – mit einrechnet.

Einer der wichtigsten Hebel für die internationale Klimapolitik ist daher die CO2-Bepreisung. Energie aus Kohle, Öl und Gas muss wesentlich teurer werden. In einem ersten Schritt wäre schon viel gewonnen, wenn zumindest die hohen Kohlesubventionen abgebaut würden. Am Mercator Research Institute on Global Commons and Climate Change (MCC) konnten wir zeigen, dass das allein schon ausreichen würde, um in den nächsten 15 Jahren in 70 Staaten der Welt den Menschen universellen Zugang zu Trinkwasser, in 60 zu funktionierenden Sanitäranlagen und in 50 zu Elektrizität zu ermöglichen. Wenn die Kohlesubventionen stattdessen in den Aufbau dieser Infrastrukturen gesteckt würden, wäre das ein hervorragendes Programm zur Armutsbekämpfung.

Auch die Industriestaaten würden von einer CO2-Bepreisung profitieren. Hier sind es vor allem die Finanzminister, die ein Interesse daran haben müssten – selbst wenn sich ihr Herz sonst nicht für die Klimapolitik erwärmt. Schließlich ist die CO2-Bepreisung eine äußerst effiziente Quelle zur Finanzierung von Staatshaushalten, ähnlich wie die Öko-Steuer zur Senkung der Lohnnebenkosten eingesetzt wird. Durch sie ließen sich beispielsweise Mittel für eine bessere Gesundheitsversorgung, die Stärkung des Bildungssektors oder die Verbesserung des öffentlichen Verkehrssystems bereitstellen. Wenn die Einnahmen in solche wirtschaftsfördernde Infrastrukturen fließen würden, könnten Unternehmen in solchen Ländern sogar langfristige Standortvorteile erwachsen.

Auf dem Weg zu einer globalen CO2-Bepreisung gilt es, zunächst zwei wesentliche Hürden zu nehmen. Erstens wäre es ein gutes politisches Signal, wenn über den Green Climate Fund Entwicklungsländer dafür bezahlt würden, dass sie einen weltweiten CO2-Preis akzeptieren. Mit diesem Geld könnten sie in die Technologieentwicklung und in ihre Wettbewerbsfähigkeit investieren. Zweitens wäre es wichtig, dass die Europäische Union mit gutem Beispiel vorangeht und das Europäische Emissionshandelssystem ETS reformiert. Hier brauchen wir vor allem einen stetig steigenden Mindestpreis. Auch eine sektorale Erweiterung des ETS auf den Transport- und Gebäudesektor könnte helfen, das System wieder flott zu machen.

Um langfristig zu einem globalen Klimaregime mit ambitionierten Stabilisierungszielen zu gelangen, sollten einzelne Staatengruppen mit einer CO2-Bepreisung als Vorreiter aktiv werden. Denn der Nutzen von Klimapolitik offenbart sich erst sehr spät. Wer jetzt aber Kohle teurer macht, der kann davon schon relativ schnell profitieren.

Prof. Dr. Ottmar Edenhofer ist Direktor des Mercator Research Institute on Global Commons and Climate Change (MCC) sowie Chefökonom am Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK) und Lehrstuhlinhaber für die Ökonomie des Klimawandels an der Technischen Universität Berlin.
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