Dienstag, 8. September 2015
Man kann es wohl nicht oft genug sagen und lesen und nun auch im Spiegel bei Wolfgang Münchau:
Politische Binsenweisheiten stimmen so lange, bis sie nicht mehr stimmen. Eine davon ist, dass linke Parteien nur aus der Mitte heraus Wahlen gewinnen. (…)Doch diese Binse funktioniert nicht immer und überall. Wir sehen das an dem stetigen Niedergang der SPD, die noch nie konservativer war als unter ihrem jetzigen Parteichef Sigmar Gabriel.
Nun ist das nicht Gabriels Schuld alleine. Die SPD ist insgesamt nach rechts gerückt. Das hat sicherlich eine längere Vorgeschichte, die mit Schröders Agenda 2010 und die wirtschaftsfreundlichen Gesetze der damaligen rotgrünen Koalition einen ersten Höhepunkt erlebte. Die große Koalition, die die SPD gerne eingegangen ist, stellt da vermutlich nur den letzten Sargnagel dar.
Der Grund ist der gleiche wie der bei der SPD. Der kardinale politische Fehler der Sozialdemokraten und anderer linker Parteien in Europa ist die Akzeptanz einer neoliberalen Wirtschaftsdoktrin. Ich will an dieser Stelle nicht inhaltliche Argumente für oder gegen diese Doktrin diskutieren. Mir geht es hier um die neoliberale Politik, die zu einem Verfall der Reallöhne beigetragen hat. Sie führte zu Machtverschiebungen in der Wirtschaft zuungunsten von Gewerkschaften und zugunsten von Banken.
Das Grundproblem aller Sozialdemokraten ist die tiefe Verankerung der neoliberalen Doktrin in der europäischen Politik und in den europäischen Verträgen - im Maastrichter Vertrag, im Stabilitätspakt und seinen späteren Varianten und zuletzt im Fiskalpakt. Diese von Konservativen verfassten Regeln reduzieren die politischen Spielräume. Und damit sind Sozialdemokraten aus Sicht der Wähler von Christdemokraten nicht mehr zu unterscheiden.
Das klingt nun so, als finde die neoliberale Politik nur auf der nationalen bzw. der europäischen Ebene statt. Dem ist aber nicht so. Die Konservativen haben, und die SPD ist diesen Weg mitgegangen, in die verschiedenen Verfassungen die Generalregel des ausgeglichenen Haushalts bis 2020 hineingeschrieben. Wenn ein Bundesland bereits mit einem ordentlichen Packen an Schulden belastet ist, so bedeutet der Zwang zum ausgeglichenen Haushalt, dass auf Jahre hinaus scharf gespart werden muss. Und das bricht sich runter bis auf die einzelne Kommune.

Gestern bei der Podiumsdebatte der Frechener Bürgermeisterkandidaten wurde man Zeuge zu welchen Schizophrenien die tiefe Verankerung neoliberalen Denkens in der Kommunalpolitik führen kann.

So sang die CDU-Kandidatin Frau Stupp, als es um die Frage der Kommunalfinanzen ging, ein Hohelied auf das Königsrecht eines jeden Kommunalparlaments, also das Recht, einen eigenen Haushalt verabschieden zu dürfen. Einfach formuliert verlieren Kommunen dieses Recht, wenn sie keinen ausgeglichenen Haushalt präsentieren können: sie kommen unter staatliche Kuratel. Frau Stupp will nicht, dass Frechen unter staatliche Kuratel kommt. Also will sie weiterhin ausgeglichene Haushalte präsentieren. Das aber ist schwierig, denn Kommunen müssen viele Aufgaben erledigen, die ihnen vom Land oder vom Bund zugewiesen werden. (bspw. im sozialen Bereich). Leider vergessen Bund und Land aber, den Kommunen hierfür ausreichend finanzielle Mittel zur Verfügung zu stellen.

Alles richtig und doch alles falsch, denn Bund und Länder sind laut den von den Konservativen gewollten Verfassungsänderungen gezwungen, ausgeglichene Haushalte zu präsentieren. Also wird gespart – im Zweifelsfalle auf Kosten der Kommunen. Das ist sehr unschön für die Kommunen dieses Landes aber denn doch von eben dieser CDU, für die Frau Stupp antritt, im Grundsatz so gewollt.

Und der SPD-Kandidat? Wer von der SPD erwartet hätte, dass hier eine Gegenposition bezogen würde, der sah sich getäuscht (… wobei, wer in Frechen glaubt an eine sozialdemokratische Gegenposition?). Ferdi Huck hat das neoliberale Denken so verinnerlicht, dass er die CDU sogar beim Thema Personaleinsparung gerne überholen will. Es gäbe in der städtischen Verwaltung noch größere Einsparpotentiale, die es zu heben gelte und die er heben werde. Alles, um einen ausgeglichenen Haushalt zu erreichen und um Steuererhöhungen zu vermeiden.

Das ist für Außenstehende nun nicht wirklich zu beurteilen, dass nun aber der SPD-Kandidat den Sparkommissar gibt, seine CDU-Gegnerin dagegen erklärt, für sie sähe es so aus, als sei die Grenze der Personaleinsparungen erreicht, das erstaunt denn doch gewaltig.

Erstaunlich aber bleibt allemal, dass die SPD vom Kopf bis zu den Füssen, von Gabriel bis Huck, sich dem neoliberalen Denken verschrieben hat und nicht erkennt, dass eben diese Alternativlosigkeit des Handelns, die sich hieraus ergibt, der CDU in die Hände spielt. Wer braucht eine SPD, wenn sie sich von der CDU nicht unterscheidet?