Mittwoch, 21. Mai 2014
Die Inklusion wird die lokale Gesellschaft in den kommenden Jahren massiv beschäftigen. Derzeit begegnet sie uns insbesondere im schulischen Bereich in der Form, dass Kinder mit Förderbedarf auf Regelschulen unterrichtet werden wollen und müssen.
Das führt zu grundlegenden schulischen Veränderungen. Die Stadt Frechen als Schulträgerin ist daher gefordert in den behindertengerechten Ausbau der Frechener Schulen zu investieren.
Zu fragen ist dabei, inwieweit die kommunalen Wahlprogramme dieses Thema angemessen reflektieren und mit welchen Vorstellungen und Ideen die Parteien aufwarten.

Eröffnen wir den Reigen mit den beiden Parteien, die sich nur rudimentär äußern:

Für die CDU ist die Inklusion ein zu vernachlässigender Nebernaspekt, denn der Begriff taucht im Wahlprogramm nur ein einziges Mal auf:
Dabei werden wir den von der Landespolitik geschlossenen Schulkonsens beachten und die Schulinfrastruktur bestmöglich zum Wohle unserer Kinder fortentwickeln. Inklusion steht dabei ebenfalls weiterhin auf unserer Agenda. Im Vordergrund steht für uns dabei, die bestmögliche Lösung für Kinder und Eltern zu finden.
Dass die Inklusion auf der politischen Agenda steht, ist betroffenen Eltern geschuldet, die für ihre Kinder einen Platz an der Regelschule wünschen und den landespolitischen Auseinandersetzungen um die finanziellen Folgen der Umsetzungen der Inklusion im Schulgesetz. Ein eigenständiger Beitrag der Frechener CDU zu einer erfolgreichen Inklusion auf lokaler Ebene ist nicht erkennbar.

Die Perspektive für Frechen hat die Inklusion in einem einzigen Punkt zusammengefasst
Sukzessiver Ausbau der Inklusion, speziell im Kita-/Schulbereich, im Rahmen der finanziellen Möglichkeiten
Das ist grob verallgemeinernd und wenig aussagekräftig. Die Einschränkung „im Rahmen der finanziellen Möglichkeiten“ ist dem Problemfeld kaum angemessen. Eine städtische Kassenlage entwickelt sich auf Basis von Prioritäten und Entscheidungen mit finanziellen Folgen, die im Rat der Stadt getroffen werden. Ein erster Vorgeschmack auf das Kommende liefern die Entscheidungen für den Ausbau der Johannes- und den Neubau der Lindenschule, deren Raumbedarf deutlich höher ausfällt als ohne Inklusion. Die Basumaßnahmen verteuern sich. Hierbei handelt es sich aber um die Umsetzung städtische Pflichtaufgaben (Schulträger). Möglicherweise wird anderherum ein Schuh draus: die Kosten der Inklusion beschränken die städtischen Möglichkeiten für andere investive Ausgaben.

Im Wahlprogramm der Frechener Linken findet die Inklusion keine Erwähnung.

Bei der SPD nimmt die Inklusion einen deutlich höheren Stellenwert ein. Im schulischen Bereich fordert die SPD ein Zusammenwirken aller betroffenen gesellschaftlichen Kräfte, um die Inklusion an Frechener Schulen Realität werden zu lassen:
In unserer Stadt müssen alle Beteiligten an Schule (Schüler, Lehrer und Eltern sowie Verwaltung und Politik auf ihren unterschiedlichen Ebenen) den Inklusionsgedanken weiterentwickeln und in inklusives Handeln umsetzen. (…) Wir fordern inklusive Schulen mit Zugang für Kinder in all ihrer Verschiedenheit, wo gemeinsames Lernen selbstverständlich wird. Hier müssen Unterstützungssysteme, Kooperations- und Brückenlösungen angeboten werden. (…) Wir wollen bewusst machen, dass „Behinderungen“ erst durch Ablehnung und institutionelle Barrieren entstehen. Wir werden für alle Menschen die gesellschaftliche Teilhabe in Sport, Freizeit, Kultur, Ehrenamt sowie institutioneller Teilhabe an politischer Entscheidungsfindung und in kommunalen Planungsprozessen organisieren.
Eine Umsetzung dieser Forderung bedeutet konsequenterweise den behindertengerechten Ausbau der Frechener Schulen und die Öffnung aller weiterführenden Frechener Schulen, also auch des Gymnasiums, für behinderte und förderbedürftige Kinder. Der Hinweis auf das Zusammenwirken aller Beteiligten zur Umsetzung der Inklusion verweist auf entsprechende Arbeitskreise, wie sie andernorts schon seit einigen Jahren erfolgreich arbeiten.
Hieran wird sich die SPD messen lassen müssen.

Die FDP widmet sich dem Thema Inklusion in einer umfangreichen Passage. Wer jedoch konkrete Aussagen sucht, stößt auf wenig Substantielles. So fordert die FDP unverdrossen die Beibehaltung der Förderschulen, um den Eltern der betroffenen Kinder eine Wahlfreiheit einzuräumen. Es ist an dieser Stelle schon mehrfach darauf hingewiesen worden, dass das Recht behinderter Kinder auf eine Beschulung in der Regelschule ein dem Kind innewohnendes Recht ist. Dieses individuelle Menschenrecht des Kindes geht nicht in dem hier postulierten „Elternwahlrecht“ auf. Ebenso befremdlich wirkt es, wenn die FDP im Sinne der liberalen Doktrin heute den Eltern behinderter Kinder ein schulisches Wahlrecht anbieten will, nachdem alle behinderte Kinder noch vor 2 Jahren zwangsweise qua Amt Förderschulen zugewiesen wurden und die FDP zu keiner Zeit mit Hinweis auf ihre liberale Doktrin eine Abschaffung der Zwangszuweisung gefordert hat.
Eine echte Wahlfreiheit für Eltern behinderter Kinder entsteht erst, dies sei der FDP ins Stammbuch geschreiben, wenn die Regelschulen behinderte Kinder ohne „wenn und aber“ an- und aufnehmen.

Konkrete Maßnahmen aber, wie vor Ort die Wahlfreiheit via Öffnung der vorhandenen Regelschulen befördert werden kann oder was der Schulträger für die Inklusion in den kommenden Jahren tun muss und soll, finden sich im Programm der FDP nicht.
Nachdem die FDP sich noch 2009 im Landtag der Inklusion verweigert hat, dominieren im lokalen Wahlprogramm Schuldzuweisungen an die Landesregierung, beim Inklusionsgesetz schlecht gearbeitet zu haben.

Das Inklusionsverständnis der Grünen orientiert sich stark an den Vorgaben der UN-Behindertenrechtskonvention:
Inklusion als gesellschaftliche Herausforderung beinhaltet die Berücksichtigung von Bedürfnissen aller Menschen in allen Lebensbereichen – Bildung, Arbeit, Wohnen, Gesundheit, Kommunikation.Diese vollständige Teilnahme aller Menschen an allen gesellschaftlichen Prozessen wird in der UN-Behindertenrechtskonvention in vielerlei Hinsicht beschrieben.
Im Gegensatz zu den bisher genannten Wahlprogrammen enthält das grüne Programm eine Reihe konkreter Punkte, wie Inklusion auf lokaler Ebene befördert werden kann. So sollen bspw. bei der Stadtplanung, bei städtischen Bauvorhaben und der künftigen Verkehrsplanung die besonderen Bedürfnisse behinderter Menschen berücksichtigt werden sowie Kindertagesstätten und Jugendzentren sollen behindertengerecht ausgebaut werden. Und weiter:
Bei der Personalpolitik: Berücksichtigung von Beschäftigung behinderter Menschen,
Bei der Sozialberatung: Bündelung von Beratungsangeboten und Vermittlung von regionalen Netzwerken,
Bei Antragsvordrucken und behördlichen Bescheiden: allgemein verständliche Ausdrucksweisen benutzen,
Bei Beratung hörgeschädigter Menschen: Gebärdendolmetscherin/ Gebärdendolmetscher hinzuziehen,
Bei konkreten Bedarfslagen: Stärkung der Bürgerbeteiligung, d.h. Begleitung von Planungs- und Entscheidungsprozessen durch betroffene Menschen.
Die Inklusion im Schulbereich ist den Grünen ein eigener Unterpunkt wert. Dabei wird deutlich, dass die Grünen das Ende der kommunalen Förderschule vorhersehen. Diese Entwicklung
zwingt auch die Stadt Frechen, sich mit dem Thema Inklusion zu beschäftigen. Dabei wird aber häufig übersehen, dass Inklusion keine freiwillige Leistung ist, die man mehr oder weniger, je nach Kassenlage der Stadt bedienen kann, sondern ein elementares Menschenrecht. Inklusion verlangt eine andere Herangehensweise an das menschliche Zusammenleben – ein neues Menschenbild. Inklusion ist das Gegenteil von Ausgrenzung.
Die Grünen fordern hierbei die konkrete Unterstützung der Stadt bei der Umsetzung der Inklusion ein:
In der kommenden Ratsperiode werden organisatorische und architektonische Gesichtspunkte in der Gestaltung unserer Schulen im Vordergrund stehen, wenn es darum gehen wird Inklusion im Schulalltag umzusetzen.
Hier erwarten wir von der Stadt als Schulträger, dass sie alle Bemühungen in den Schulen aktiv und wohlwollend unterstützt, damit Inklusion umgesetzt werden kann und die entsprechenden Mittel dafür bereitstellt.
Zusammenfassend läßt sich festhalten, dass die Inklusion bei drei der sechs hier zur Auswahl stehenden Parteien (CDU, Linke und Perspektive) ein rudimentärer Nebenaspekt ist.

Ein Sonderfall stellt die FDP dar, denn in deren Wahlprogramm nimmt die Inklusion breiten Raum ein, wobei große Teile des Textes sich an die Landesregierung wenden, von der die Schaffung "optimaler" Inklusionsbedingungen eingefordert wird. Erst danach könne auf kommunaler Ebene gehandelt werden.
Da aber die von der FDP geforderten "optimale" Bedingungen auf Sicht und unabhängig von der politischen Couleur der Landesregeirung nicht zu erwarten sind, können solche Aussagen auch als Absage an die Inklusion gewertet werden.

Nur bei zwei Parteien (Grüne und SPD) ist beim Thema Inklusion einen kommunalen Ansatz erkennbar. Nur deren Wahlprogramme lassen erwarten, dass es in Frechen zu eigenständigen Fortschritten bei der Inklusion kommen wird.