Im französischen politischen Sprachgebrauch gibt es den Begriff der „banlieue rouge“ (rote Vorstädte) oder gleichwertig des „centure rouge“ (roter Gürtel), womit die französischen Kommunen rund um Paris gemeint waren, die ab den 1920ern mehrheitlich von der Arbeiterklasse bewohnt wurden und die über Jahrzehnte in ihrer Mehrheit für die französische kommunistische Partei gestimmt haben.

Bei einer Wahlanalyse der Stadt Frechen in den letzten Jahren könnte man in einer weitgefassten Analogiebildung von einem schwarzen Gürtel sprechen, der die Kernstadt umfasst. Der schwarze Gürtel besteht aus den Ortsteilen Königsdorf, Buschbell/Hücheln, Bachem, Habbelrath und Grefrath, die der hiesigen CDU seit mehr als 10 Jahren ihre Mehrheiten verschafft haben.

Da im Mai 2015 die Bürgermeisterwahl stattfindet, kann es sich lohnen diese politische Struktur genauer zu analysieren.

Die fünf Ortsteile stellten bereits 2009 mit 20.701 Wahlberechtigten 52% aller Wahlberechtigten, wobei durch den Ausbau Königsdorfs sich der Schwerpunkt noch etwas stärker in den schwarzen Gürtel verschoben haben dürfte.

Eine erste Auffälligkeit bei einer näheren Betrachtung der Zahlen ergibt sich bei der Wahlbeteiligung. Im schwarzen Gürtel sind fast 58% aller Wahlberechtigten zur Wahl gegangen, in der Kernstadt nur gut 50%. Betrachtet man das CDU-Ergebnis, so wird die Bedeutung des schwarzen Gürtels für die Partei erkennbar, denn hier holte sie 60% ihrer Stimmen, in der Kernstadt nur 40%. Das Verhältnis bei der SPD war etwas ausgeglichener, wenn auch aus anderen Gründen: die SPD holte 52% ihrer Stimmen in der Kernstadt und 48% im schwarzen Gürtel.

Schaut man dann auf die Stimmverteilung zwischen den Parteien, so zeigt sich die Stärke des schwarzen Gürels. Im schwarzen Gürtel erhielt die CDU 52% aller abgegebenen Stimmen, die SPD hingegen nur gut 26%. Denkt man in den großen politischen Lagern, also das Rot-Grüne gegen das Schwarz-Gelb Lager (inklusive der Perspektive) so holt das Schwarz-Gelbe Lager im schwarzen Gürtel knapp 62% der Stimmen, das Rot-Grüne dagegen nur 38%.

Die Verhältnisse in der Innenstadt gestalten sich deutlich anders: im direkten Parteienvergleich holte die CDU gut 41% der Stimmen und die SPD 37%. Denkt man dagegen wieder in Lagerstrukturen, so ergibt sich ein kaum mehr spürbarer Vorsprung für das Schwarz-Gelbe Lager. Hier 50,6%, bei Rot-Grün 49,3%.

Strukturell entscheidend aber ist für die CDU das gute Abschneiden im schwarzen Gürtel, verknüpft mit der dort deutlich höheren Wahlbeteiligung. 2009 hätte der SPD-Kandidat seinen realen Stimmenanteil in der Innenstadt verdoppeln müssen, um seinen Rückstand resultierend aus dem Ergebnis des Schwarzen Gürtels zu egalisieren.

Unvorstellbar! Unerreichbar!

Für die SPD stellt sich die Situation auch deshalb so negativ dar, da sie im linken Lager an Bindungsfähigkeit verloren hat. Als 1999 Jürgen Schaufuß gegen Hans Willy Meier die Bürgermeisterwahl verlor, vereinte die SPD noch 91% der Stimmen des linken Lagers. Bei der Wahl 2004 konnte die SPD noch 86% der Wähler des linken Lagers an sich binden, 2009 sank der Anteil auf gerade noch 72%.

Daraus lassen sich bereits heute einige Schlussfolgerungen ziehen, ohne dass es von Relevanz ist, mit welcher Person die SPD in den Wahlkampf ziehen will.

1. Der SPD muss es gelingen, die Wahlbeteiligung in der Kernstadt substantiell zu erhöhen. Hier muss man nur an die SPD-Ministerpräsidentin erinnern, die den Straßenwahlkampf als zentrales Element begreift, um mit den Menschen ins Gespräch zu kommen. Es gibt sozialdemokratische Erfahrungen aus dem letzten Frechener Kommunalwahlkampf, die belegen, dass ein gut gemachter Stadtteilwahlkampf zum Erfolg führen kann.

2. Die SPD benötigt einen Kandidaten, eine Kandidatin, die im grünen / im linken Lager wählbar ist. Das kann beispielsweise bedeuten, dass ein sozialdemokratischer Kandidat sich als „eigenständiger Kopf“ profiliert, der Ideen umsetzen will, die in der eigenen Partei möglicherweise noch umstritten sind, aber für GrünwählerInnen einen hohen Stellenwert haben.

3. Die SPD benötigt „eine Erzählung“, die einerseits auf die grundlegenden sozialdemokratischen Werte referiert (das links-progressive Profil der Partei betont) und andererseits die Vision einer „sozialdemokratischen Stadt der Zukunft“ vermittelt. Um verständlich zu machen, worum es hierbei geht, muss nochmals an Hannelore Kraft erinnert werden, die im Landtagswahlkampf 2009 das Thema „vorsorgende Sozialpolitik“ wieder salonfähig gemacht hat. Vorsorgende Sozialpolitik, die heute kostet, aber den Menschen und der Gesellschaft langfristig nützt, diese Erzählung trug ihren Wahlkampf und ermöglichte auch den Sieg der lokalen SPD-KandidatInnen im Landtagswahlkampf 2010.

Vorsorgende Sozialpolitik ist jedoch kein Thema, um in einem Kommunalwahlkampf zu punkten, dazu ist der sozialpolitische Handlungsspielraum einer Kommune zu gering.
Was in den kommenden Jahren indes alle Kommunen beschäftigen wird ist die Entwicklung der Schullandschaft. Die Landesregierung hat einige Vorlagen gegeben, die nutzbar sind.
So forciert die Landesregierung mit dem 9.Schulrechtsänderungsgesetz die schulische Inklusion. Was muss in Frechen für eine erfolgreiche Umsetzung getan werden? Hier sind viele Felder noch unbearbeitet.
Um auf den Niedergang der Hauptschulen zu reagieren hat die Landesregierung das Tor für Neugründungen von Gesamtschulen weit aufgestoßen. Der kurzfristige Bedarf in Frechen für diese Schulform ist vorhanden. Alleine mit diesem Thema ließe sich ein Wahlkampf gestalten. Und, dieser Aspekt ist nicht gering zu achten: ein klares Bekenntnis zum sofortigen Start einer Gesamtschule könnte der SPD ermöglichen im grünlinken Lager zu wildern.
Es gibt sicherlich noch weitere Themen, die es einem sozialdemokratischen Kandidaten ermöglichen würden, sich vom rechten Lager abzugrenzen und ein eigenständiges Profil zu entwickeln. Unbeantwortet bleibt dabei die Frage: will der künftige Kandidat der SPD diesen Weg gehen, bzw. will ihn die lokale SPD auf diesem Weg unterstützen?

Sollte sich der SPD-Wahlkampf wie 2009 im lokalen Kleinklein erschöpfen, so ist die Niederlage bereits jetzt strukturell vorgezeichnet, denn bei einem Kleinklein-Wahlkampf wird der schwarze Gürtel die Wahl entscheiden, wie 1999, 2004 und 2009.