"Die niedrigen Zinsen in Europa lassen die Sparguthaben der Bundesbürger schrumpfen: Die Spareinlagen bei Banken werden in diesem Jahr real 14 Milliarden Euro an Wert verlieren. Dies errechnete die Postbank."
Habe ich heute in der Tageszeitung gelesen und mich gefragt, was da fehlt … Vielleicht eine nachvollziehbare Erklärung?
"Durch den Anstieg der Inflation bei anhaltend niedrigen Zinsen wird sich die reale Vermögensentwertung beschleunigen", sagte er der "Bild"-Zeitung. Die Europäische Zentralbank (EZB) hatte den Leitzins im Frühjahr auf 0,5 Prozent gesenkt, um die Rezession im Euroraum zu bekämpfen.
Also, so wird dem Leser / der Leserin suggeriert, es liegt an der Inflation bei „anhaltend niedrigen Zinsen“ und daran, dass die Rezession im Euroraum bekämpft werden müsse und diese mache die EZB mit dem historisch niedrigen Leitzins.
Irgendwie erscheint mir das etwas kurz gesprungen.
Das mit der Inflation, nun ja, das ist ein kleines Rätsel, warum sie anzieht und warum nicht, das erschließt sich uns wirtschaftspolitischen Laien kaum, es handelt sich für uns vielmehr um eine Art göttliche Fügung.
Anders dagegen das Zinsniveau, das wird ja durch die Zentralbanken gesteuert. Je günstiger sich Geschäftsbanken bei der Zentralbank refinanzieren können, desto niedriger im Normalfall das Zinsniveau. Und der Leitzins ist die Größe, über die die Refinanzierung der Geschäftsbanken gesteuert wird.

Spannend aber wäre es gewesen im Gutachten der Postbank zu lesen, warum die Zentralbank den Leitzins auf diesem historisch niedrigen Wert belässt. Aber eine Bank hackt einer anderen kein Auge aus – deshalb mochte die Postbank vielleicht nicht mit der ganzen Wahrheit rausrücken.
Es ist doch wohl so, dass der einfache Sparer durch seine niedrigen Zinsen die Kosten der Finanzkrise zu schultern hat. Das Finanzkapital hat … nein, genauer: Finanzinstitute und vermögende Menschen haben aus halbgaren Finanzprodukten einen dicken Profit gezogen. Im Grunde in Form von Kettenbriefgeschäften hat man Menschen (und Banken und Kommunen), die von dieser Form der Kapitalanlagen nichts verstehen, diese Dinge angedreht. Das ging einige Jahre gut und 2008 platze die Bombe: die Geschäftsgrundlage für diese Kapitalprodukte: sinnlos überbewertete Immobilien in den USA und daran hängend die Hypothekenkredite waren das Geld nicht wert, das dafür auf dem Höhepunkt der Hype bezahlt worden war.
Die darauf basierenden „Wert“Papiere verloren rapide an Wert, ein jeder wollte die ihm gehörenden schnellstmöglich verkaufen, worauf der Markt für diese Produkte endgültig zusammenbrach. Den Teil der Geschichte kennen wir.
Um aber Roß und Reiter zu benennen: mit diesen Produkten haben die eh schon Reichen dieser Erde Milliarden über Milliarden verdient und die Handlager in den Banken und den Hedgefonds sind darüber vermögend geworden. Verloren haben die Anleger am Ende der Kette, die auf den inzwischen wertlosen Produkten sitzengeblieben sind. Wir erinnern uns: die Lehman-Geschädigten, die heute noch auf eine Entschädigung hoffen. Und verloren haben die SteuerzahlerInnen, die nun für insolvente und fast insolvente Banken haften, deren Geschäftstätigkeit weder die PolitikerInnen noch wir Normalsterblichen je verstanden haben. Deren Verluste, das haben wir inzwischen verstanden, sind dafür direkt verstaatlicht worden. Wir erinnern uns: WestLB, genau, direkt vor unserer Haustüre …. Und das Land NRW und die lokalen Sparkassen sind mit 5 Milliarden dabei, um die Verluste dieser Bank nachträglich auszugleichen. Diese Milliarden zahlen wir. Mit unseren Steuern. Mit Gebühren und niedrigeren Zinsen bei unseren Sparkassen.
Und was lokal funktioniert, das funktioniert auch national und vermutlich auch EU-weit. Die großen Risiken liegen ja nicht bei unserer Landesregierung sondern bei den Zentralbanken und beim Bund. Dort werden die großen Verluste und Risiken gebunkert: Bad-Bank-Konstrukte; Aufkaufprogramme für im Wert massiv geminderte Staatsanleihen der Mittelmeeranrainer beispielsweise. Man hofft, diese Papiere später wieder zu Geld machen zu können und die Verluste so zu minimieren. Wie das aber im Leben so ist, wenn ich einer Bank ein Wertpapier abkaufe, so will die Bank von mir Geld sehen. Genauso ist es mit den Aufkaufprogrammen. Die Banken verkaufen ihre schlechten Papiere an die dafür aufgelegten EU-Fonds, vermutlich zu einem politisch gewollt überhöhten Preis und erhalten dafür echtes Geld. Das Geld muss auch irgendwoher kommen. Weswegen sich diese Fonds das Geld, das sie für die Aufkäufe benötigen, am Markt leihen. Zu sehr günstigen Konditionen, denn einerseits haften die die großen EU-Länder und andererseits hält die Zentralbank den Leitzins unten ….

Halt, stopp – genau: wir haben oben gehört, dass dank des niedrigen Leitzinses der deutsche Sparer Milliarden verliert und nun, im Verlaufe der Erzählung, hören wir, dass der Leitzins deshalb so niedrig ist, um die Folgen der Finanzkrise aufzufangen. Schlussfolgerung: oben haben einige Milliarden verdient und am anderen Ende der Kette zahlen die kleinen Sparer und die Steuerzahler die Verluste. Man könnte ins Grübeln geraten. Aber das tun wir lieber nicht, denn dann müssten wir uns darüber Gedanken machen, ob die durch unsere Regierung verfolgte Krisenpolitik wirklich im Sinne des deutschen Durchschnittssparers ist, oder ob hier nicht das alte Spiel in eine neue Runde gegangen ist: Gewinne privatisieren, Verluste sozialisieren. Dumm nur, dass am Ende der Geschichte die einen reicher und reicher geworden sind und die anderen ihr kleines Guthaben bei der Bank und ihre Altersversorgung verloren haben werden.

Und richtig blöde: wir haben Wahlkampf und keiner spricht drüber …..