Gestern war Schulausschuss. Keine Veranstaltung, die Herzen höher schlagen läßt, Ein bisschen träge, vieles scheint im Vorfeld bereits abgestimmt … aber gestern, ja gestern erlebten wir ein echtes Highlight, sozusagen einen Leckerbissen im politischen Nahkampf.

Man stelle sich mal vor, ein Mitglied des Ausschusses stelle einen Antrag, der Schulausschuss möge beschließen, seinen gesetzlichen Pflichten nachzukommen und der Auschluss sagt: Nö.
Klingt jetzt komisch, war aber so.

Nun also in medias res:
Realschule und Gymnasium werden ab kommendem Schuljahr mehrere Kinder mit sonderpädagogischen Förderbedarf aufnehmen müssen, das Recht aller Kinder auf eine Beschulung im Regelschulsystem macht diesen Schritt unumgänglich. Man nennt das Inklusion und aktuell berät der nordrhein-westfälische Landtag das entsprechende Gesetz (9. Schuländerungsgesetz), mit dem die Pflichten der Inklusion in Gesetzestexte gegossen werden.
Der Vertreter der Schulpflegschaften der Grundschulen, Herr Tietz, forderte nun den Schulausschuss auf, zu beschließen, dass die Stadt im Rahmen ihrer Zuständigkeiten alles tun solle, um diese Schulen bei der Inklusion zu unterstützen. Er bezog sich dabei ausdrücklich auf die entsprechende Passage des Schulgesetzes, die da besagt, dass das Land die Kosten für das Lehrpersonal übernimmt, die Kommune aber für Sachkosten, Hausmeister und Sekretariat aufkommen muss.
Was bedeutet das nun konkret?
Da stellen wir uns mal ganz dumm und denken an einen Jungen mit massiven Sehbeeinträchtigungen. Der benötigt nun einen speziellen Bildschirm für den Schulcomputer, um dem Unterricht folgen zu können. Diesen Bildschirm muss die Kommune bezahlen.
Eigentlich einfach zu verstehen. Nicht aber, wenn man nicht verstehen will. Und dieser Schulausschuss wollte nicht verstehen, denn angeführt vom SPD-Vertreter im Ausschuss wurde die Behauptung aufgestellt, dieser Antrag fordere Dinge, die nicht von der Kommune zu bezahlen seien (bspw. zusätzliches Lehrpersonal). Selbst die Vorsitzende des Ausschusses wiederholte in ihrem Schlussplädoyer nochmals diese von Herrn Tietz mehrfach zurückgewiesene Behauptung. Die Stadtverwaltung hätte vermutlich aufklären können, allein sie tat es nicht. Gegen die einsame Stimme der grünen Vertreterin lehnte der Schulausschuss es ab, seinen Willen zur Unterstützung der Inklusionsbemühungen der Schulen zu bekunden. Also: ein Antrag, der inhaltlich den entsprechenden Paragraphen des nordrhein-westfälischen Schulgesetzes wiederholte, wurde vom Schulausschuss abgelehnt.

Man darf gespannt sein, ob der Schulausschuss in seiner nächsten Sitzung das 9.Schulrechtsänderungsgesetz für die Gemarkung Frechen für ungültig erklärt. Überraschen sollte es einen nach diesen Erfahrungen aber nicht.
Nun ja, es tröstet, dass sich durch diesen Beschluss nichts ändern wird, die finanziellen Verantwortlichkeiten der Kommune bleiben davon unberührt, einzig, was sich ereignet hat: der Schulausschuss hat sich unsäglich blamiert, hat er doch erklärt, dass er einen Antrag, mit dem die schulische Inklusion förderungsbedürftiger Kinder unterstützt werden sollte, ablehne!
Wie leitete Herr Tietz seinen Antrag ein:
Warum stelle ich diesen Antrag, das kann man fragen, nachdem die gesetzlichen Grundlagen der Inklusion in Nordrhein-Westfalen immer noch nicht verabschiedet sind.
Womit dann auch zusammenhängt, das umstritten ist, wer was und warum überhaupt bei der Inklusion zahlen soll. Wer hat die Inklusion bestellt und wer muss nun für die Kosten aufkommen? Darum geht es beim Streit zwischen den Kommunen und dem Land. In der oberen Etagen spricht man dann vom Konnexitätsprinzip und meint doch nur: wer kriegt die Rechnung.
Aber ehrlich, das ist nicht wirklich relevant. Es geht hier um zwei Sachen: Erstens die konsequente Anwendung des § 92 Abs. 3 SchulG. Und zweitens: Wir haben Kinder mit Förderbedarf, die wollen unterrichtet werden – an einer Regelschule. Von diesen Kindern wurde die Inklusion bestellt, von Kindern, die wir bisher auf Förderschulen abschieben mit der Behauptung, dort gehe es ihnen besser. Da diese Kinder aber in unserer Gesellschaft leben, ja leben und lernen wollen, ist es Bestandteil der kommunalen Daseinsvorsorge, diesen Kinder jede Unterstützung zu geben, die ihnen den Weg mit uns ermöglicht. Die UN-Behindertenrechtskonvention erklärt – bezogen auf das Schulsystem – das Recht auf die Beschulung in einer Regelschule zu einem Menschenrecht. Daran müssen wir uns messen lassen und mir ist kein Menschenrecht bekannt, das unter einen kommunalen Finanzierungsvorbehalt gestellt ist.
Mit diesem Antrag stelle ich daher der Stadt und ihren politischen Vertretern die Frage, was sie bereit sind zu tun, damit die schwächsten Mitgliedern der Gesellschaft in unserer aller Mitte leben und lernen können.
Hierzu gibt es nicht mehr zu sagen.
Zu anderen Aspekten dieser Sitzung aber schon, weshalb gilt: Wird fortgesetzt.





travelfox42, Donnerstag, 20. Juni 2013, 11:16
"Man stelle sich mal vor, ein Mitglied des Ausschusses stelle einen Antrag, der Schulausschuss möge beschließen, seinen gesetzlichen Pflichten nachzukommen und der Auschluss sagt: Nö".

Echt jetzt? Dann folgt tatsächlich, dass das Schulrechtsänderungsgesetz für Frechen als ungültig erklärt werden muss. Wer verklagt den Ausschuss? Die sollen ihrer Arbeit nachkommen und keine taktischen Spielchen austragen!