Die Gesamtschule bewegt die Frechener Politik, dies zumindest ist gewiß. Zwischenzeitlich haben sich die „Falken“, der eigenen Geschichte verpflichtet* des Themas angenommen und suchen öffentlichkeitswirksam Eltern, die sich in Frechen für eine Gesamtschule einsetzen wollen.
Den Rahmen dafür bildete die Sondersitzung des Schulausschuss vom 19. September 2012, auf der der Rektor der Gesamtschule Aalen, Herr Alois Brinkkötter, die beiden Schulformen Sekundarschule und Gesamtschule präsentierte.

Das Entscheidende der fast 90-minütigen Präsentation läßt sich sehr knapp zusammen fassen: die Sekundarschule arbeitet mit Strukturen und Konzepten, die an den Gesamtschulen langjährig erprobt worden sind. Sie ist eine Schrumpfform der Gesamtschule, eine Gesamtschule ohne gymnasiale Oberstufe.

Vor dem Hintergrund der Komplanstudie, die steigende Schülerzahlen für die gymnasiale Oberstufe in Frechen vorhersagt und dem Gymnasium heute bereits Platzprobleme prognostiziert, spricht daher wenig für die Schrumpfform Sekundarschule und alles für die echte Gesamtschule. Nicht aber in Frechen. Hier ticken die Uhren anders.

So war es auffällig, dass der Genosse Uttecht, der für die Schulen zuständige städtische Beigeordnete, ein weiteres Mal eine Lanze für die Hautpschule brach. Sein Schlüsselargument lautet: die Frechener Hauptschule ist erfolgreich, das zeigt sich auch daran, dass auswärtige Schüler zur Frechener Hauptschule einpendeln. Herrn Röttgen wird, so berichtet die Presse heute, nachgesagt, er leide an „Wahrnehmungsstörungen, was seine Person betreffe.“ Herrn Uttecht darf man wohl nachsagen, dass er an Wahrnehmungsstörungen leidet, was seine Zahlen betrifft. Laut seiner verwaltungseigenen Statistik vom 15.10.2011 besuchten gerade mal 17 auswärtige Kinder die hiesige Hauptschule. 17 von 436 Kindern. Sagenhafte 3,9% also. Diese 3,9% sollen Beleg sein für die erfolgreiche Arbeit der Hauptschule? Es gibt sicherlich bessere Argumente, um die Hauptschule zu verteidigen, wenn aber selbst der Frechener Schulverwaltung wenig Besseres einfällt, dann muss den Komplan-Gutachtern recht gegeben werden, die sagten, die Hauptschule habe in NRW keine Zukunft mehr.
Hier wird eine Schulform von Menschen verteidigt, die ihre eigenen Kinder unter keinen Umständen einer Hauptschule anvertrauen würden, weswegen den Lippenbekenntnissen zugunsten der Hauptschule ein gewisser Mangel an Glaubwürdigkeit nachgesagt werden darf.
"Jedes Kind sollte entsprechend seinen Fähigkeiten seinen Platz im Schulsystem finden", entgegnete Schuldezernent Jürgen Uttecht. Auch die Hauptschule bereite Schüler auf ein selbstbestimmtes Leben vor.
So sprechen Eltern von „geborenen“ AbiturientInnen und es wirkt gönnerhaft.

Erstaunlich ist dabei, dass die SPD-Fraktion im Rat der Stadt Frechen sich als Hort des Widerstands entpuppt. Es soll einmal eine Zeit gegeben haben, da sprach man der SPD eine hohe Bildungskompetenz zu, da kämpfte sie für das gleiche Recht auf Bildung und erkannte in den Gesamtschulen das Modell, diesem Ziel näher zu kommen. Zwischenzeitlich hat sich die Pädagogik weiterentwickelt. Dank vieler vergleichender europäischer Studien wissen wir, dass die in Gesamtschulen praktizierten pädagogischen Konzepte unsere Kinder dem Ziel der Bildungsgerechtigkeit deutlich näher bringen als das überlebte dreigliedrige Schulssystem. Gesamtschulen gelten, neben den Gymnasien, als die heimlichen Gewinner des NRW-Schulkonsens’. Aber die Frechener SPD hat den Rückwärtsgang eingeschaltet. Sie hat sich bereits im vergangenen Sommer auf die Sekundarschule festgelegt, vermutlich im Nachgang zu einem Vortrag von Herrn Brinkkötter, der, so seine Worte, in Frechen bereits einmal drei Stunden lang die Sekundarschule präsentierte.**

Nun also muss die SPD erleben, dass Eltern gegen ihre Pläne mobil machen und Genosse Uttecht zieht sich in den Schützengraben zurück: „Wir werden uns von niemandem unter Druck setzen lassen, auch nicht von den Eltern.“ Verständlich, weiß die Schulverwaltung doch, was für die Eltern gut ist. Da stören Eltern mit einer eigenen Meinung und einem eigenen Willen nur.

Da die Macht innerhalb der Frechener SPD nicht bei den Mitgliedern liegt, sondern bei Verwaltung und Fraktion, und Eltern ein noch geringeres Gewicht haben als die eigene Basis, muss man sich weder um die eigenen Mitglieder noch um Eltern groß kümmern. Wie unwichtig selbst die eigene Partei in diesem Spiel ist, belegt folgendes Bonmot eines Eingeweihten:
"Was hat denn der Ortsvereinsvorsitzende hier zu sagen? - Nichts!"
Deshalb darf der hiesige Ortsvereinsvorsitzende sich auch für die Gesamtschule erklären. Sein Engagement zählt dann ebensoviel wie der Elternwille: gar nicht.

Der Ortsvereinvorsitzende Uli Lussem beim Unterzeichnen der Gesamtschulunterstützungsliste der Falken

Unter wahlpolitischen Gesichtspunkten aber kann man nur noch von suizidalen Tendenzen bei der Frechener SPD sprechen. Die Landtagswahl gegen einen Röttgen war gewissermaßen ein Selbstläufer, eine Frau Merkel ist aber ein ganz anderes Kaliber als ein Herr Röttgen. Und im Vorfeld der Bundestagswahl stößt die SPD in Frechen (aber auch in Pulheim) ihr eigenes Wählerklientel so vor den Kopf?
Und 2014 stehen wieder Kommunalwahlen an …. Glaubt die SPD wirklich, ihre Wählerinnen und Wähler werden ihren Verrat an der Gesamtschule dann vergessen haben?


* Erinnert sei hier nur an den Reformpädagogen und sozialdemokratischen Abgeordneten Kurt Löwenstein.
** Es wäre spannend zu erfahren, wer denn dem Vortrag folgen durfte.


Pamo Roth, Nachhilfe in Sachen Gesamtschule, KStA v. 21.09.2012