Am 23. März haben wir hier im Blog darüber geschrieben, dass Sozialdemokraten und Grüne nicht zusammen kommen können. Diese Einschätzung ergab sich bei der Lektüre der Haushaltsreden, wo die SozialdemokratInnen ein Loblied auf die Zusammenarbeit im Rat sangen, währenddessen die Grünen erklärten, dass sich im Frechener Rat eine informelle große Koalition gebildet habe und seitdem eine parteiübergreifende Zusammenarbeit nicht mehr stattfinde.

Dies bestätigt sich nun im Kontext des Landtagswahlkampfs, denn indirekt hat sich die Gesamtschule hier in Frechen zu einem Differenzierungspunkt zwischen SPD und Grünen entwickelt.

Die SPD hat sich die Position des irgendwie alles – irgendwie nichts zu eigen gemacht:
… ist klar, dass wir einer Gesamtschule oder Sekundarschule in Frechen sehr positiv gegenüberstehen.
Im Gegensatz dazu die Grünen, die sich klar für die Gesamtschule aussprechen
Die Ratsfraktion Bündnis 90/Die Grünen hat sich eindeutig für eine Gesamtschule ausgesprochen. Die Zahlen sprechen eine deutliche Sprache: Wenn so viele Kinder Abitur machen wollen, muss das auch in Frechen möglich sein. Alles Andere wäre bildungspolitisch eine Weichenstellung in die falsche Richtung.
Nun könnte man natürlich sagen, na und? Anscheinend handelt es sich bei Sekundar- und Gesamtschule irgendwie um vergleichbare Schulformen, aber dem ist natürlich nicht so.
An ihre Stelle tritt die Sekundarschule mit gymnasialen Standards, aber ohne eigene Oberstufe. Bis zur sechsten Klasse ist (…) das längere gemeinsame Lernen verpflichtend. Danach können die Schulen zwischen integriertem, teilintegriertem oder schulformbezogenem Lernen bis Klasse 10 wählen. Wenn aber der Bedarf für eine Sekundarstufe I in integrierter Form besteht und es genügend Schülerinnen und Schüler für eine eigenständige Oberstufe gibt, dann muss die Schule als Gesamtschule und damit als Schule der Sek. I und Sek. II gegründet werden. Die Trennlinie zwischen Sekundarschulen und Gesamtschulen ist damit klar gestellt.
Die Position der SPD läßt sich also dahingehend umschreiben, dass es ihr egal ist, ob Frechen eine Realschule oder ein Gymnasium bekommt. Denn hier liegt der grundsätzliche Unterschied. Die Sekundarschule endet mit dem Realschulabschluss, die Gesamtschule mit dem Abitur. Zwar soll die Sekundarschule mit einem Gymnasium kooperieren, aber bisher weiß noch niemand, wie das funktionieren soll und ob ein Übergang von der Sekundarschule auf ein Gymnasium dann auch wirklich funktioniert. Das sind noch alles ungelegte Eier.

Insofern reibt man sich denn doch verwundert die Augen, mit welcher Nonchalance die SPD zwei grundsätzlich unterschiedliche Schulformen gleichsetzt. Aber das ist wohl das aktuelle Programm der SPD: „bloss nirgends anecken“.
Die Landtagsabgeordnete Brigitte D’Moch-Schweren beantwortet auf Abgeordnetenwatch die Frage nach der „Schule für alle“ ebenso nichtssagend wir parteilinienkonform:
es ist nicht entscheidend wie die Schule heißt, sondern was drin steckt: gute Lehrer, kleine Klassen, Sozialarbeiter und Sozialpädagogen, Lehrmittelfreiheit. Schulen, in denen man sich wohlfühlt, in denen man leben und arbeiten kann, sind Voraussetzungen für gute Bildung. Der Schulkompromiss ist ein Schritt in die richtige Richtung!
Henning Venske hat vor Urzeiten mal ein tolles Buch geschrieben: Pupsi und der Tortenmord, (genau, eine Leseempfehlung hat sich mir gerade in den Text geschmuggelt), da gibt es ein Kapitel mit dem schönen Titel: „Nur wo Tante draufsteht ist auch Tante drin“ – das gilt nun aber für die SPD und ihre Schulpräferenzen nicht (mehr). Ihr ist es heutzutage völlig egal was draufsteht. Das Schlimme daran ist jedoch, dass damit der Zusammenhang zwischen äußerer Form und Inhalt negiert wird. Wie wichtig dieser Zusammenhang in Wirklichkeit ist, belegt Tag für Tag das Gymnasium. Das Gymnasium weiß sich abzugrenzen, da ist der Name Programm, da steht der Name auch für den Inhalt. Nur bei den weniger wichtigen Schulen, da wird es mit einem Mal unwichtig.

Man mag es ja kaum mehr glauben, aber noch vor wenigen Jahren hat die SPD das Sortieren der Kinder im gegliederten Schulsystem für die Vielzahl der Bildungsverlierer verantwortlich gemacht, hat den Begriff der „sozialen Selektion“ bemüht und mehr Bildungsgerechtigkeit eingefordert. Was ist davon übrig geblieben?

Ebenso erstaunlich, dass die SPD sich allein auf ein von der Stadtverwaltung in Auftrag gegebenes Gutachten für die eigene Entscheidung stützen will.
Auch die ergänzende Formulierung im Text von Frau Steinmetzer, der schulpolitischen Sprecherin der SPD erscheint erklärungsbedürftig:
„Für Frechen wurde ein Gutachten beauftragt, um die Voraussetzungen für die Einrichtung zu prüfen und deren Konsequenzen für die bestehenden Schulen darzustellen.
Die Landesregierung formuliert, dass zur Einrichtung einer Sekundarschule ein Bedürfnis bestehen müsse und ein Bedürfnis wird definiert durch das Zusammenkommen zweier Entwicklungen: der Schülerzahlentwicklung und einer Befragung der Grundschuleltern.
Wie im Artikel des grünen Stadtrats Jürgen Weidemann deutlich ausgeführt, spricht das Elternverhalten dafür, dass es ein weitverbreitetes Bedürfnis der Eltern gibt, dass ihre Kinder das Abitur machen können. Die Anmeldezahlen an Gymnasien und Gesamtschulen steigen in ganz NRW, aber auch in Frechen, währenddessen die Hauptschulen darben.
Zusätzlich haben sich vergangenes Jahr viele Frechener Eltern lautstark zu Wort gemeldet und fordern eine Gesamtschule. Das scheint die SPD jedoch nicht wirklich zu interessieren.

Die Schwäche der eigenen Positionierung muss Frau Steinmetzer jedoch auch gespürt haben, denn sie versucht, der Diskussion eine neue Richtung zu geben:
„Der Wunsch und die Forderung nach längerem gemeinsamem Lernen besteht in der in der SPD schon seit Jahrzehnten.“
Dem wird niemand widersprechen. Aber das ist nur ein Teilaspekt der Gesamtproblematik und dann kommt die Volte gegen die Grünen:
[Der Wunsch besteht] länger als manche der Fraktionen des Rates der Stadt Frechen überhaupt existieren.
Womit die Katze aus dem Sack ist: die SPD, die Bildungspartei der 70er und 80er Jahre, muss feststellen, dass sich ihre Themen eine neue parteipolitische Heimat gesucht haben. Wie in Pulheim so auch in Frechen:
die Grünen setzen sich für den Elternwillen ein, der von CDU und FDP bemüht wurde, solange damit die Sonderstellung deas Gymnasiums geschützt werden konnte,
die Grünen kämpfen für die Gesamtschule als die Schulform, die am ehesten dem Anspruch auf Bildungsgerechtigkeit gerecht wird

Elternwille und Bildungsgerechtigkeit um Programm der Grünen, der SPD wird wohl blümerant, denn sie wird zum Opfer der eigenen Konturlosigkeit und reagiert mit einem überheblichen: "Aber wir sind schon länger auf der Welt"
Es wäre schön, wenn da inhaltlich noch was nachkäme.

Wie sagt man in der Schule? Klassenziel verfehlt?





antoine favier, Mittwoch, 9. Mai 2012, 12:18
Ebenso unscharf wie unrichtig äußert sich die Kandidatin der SPD im Wahlkampfspezial des KStA:
Ein langes gemeinsames Lernen der Schüler, kleinere Klassen und der Ausbau der Ganztagsbetreuung seien ihr ebenfalls wichtig: „Dabei ist es egal, wie die Schule heißt.“