„Wenn über eine dumme Sache endlich Gras gewachsen ist,
kommt sicher ein Kamel gelaufen, das alles wieder runterfrisst.“

So besang Stefan Sulke in den Siebzigern eine vergangene Liebe. Dank des überparteilichen Schulkompromisses scheint die Liebe zur Gesamtschule neu entflammt zu sein.
Der Hürther Schulausschuss hat sich für die Einrichtung einer Gesamtschule ausgesprochen und selbst die CDU signalisiert vorsichtiges Entgegenkommen: „Wir sind nicht grundsätzlich gegen eine Gesamtschule“ hat die CDU erklärt. Der SPD-Bürgermeister von Hürth hielt ein echtes Plädoyer für die Gesamtschule, da diese dank ihrer breiten Aufstellung die meisten Kinder zum Abitur führe und auch am besten für den gemeinsamen Unterricht von behinderten und nicht behinderten Kindern geeignet sei.
Aus Köln sind vergleichbare Töne zu hören, denn auch die Kölner Schulverwaltung denkt über den Bau zweier Gesamtschulen nach. Mit der klaren Begründung, dass nach Schulkompromiss, der ja das Ende der rot-grünen Gemeinschaftschulidee besiegelte, die (alte) Gesamtschule die zukunftsweisende Schulform sei.
Auch in Pulheim ist das Thema Gesamtschule nicht vom Tisch. Die Diskussionen in Hürth und Köln werden in Pullheim sicherlich aufmerksam beobachtet.

Und hier in Frechen? Tja, da findet diese Debatte nicht statt, nein, nachdem nun im Schulkompromiss fixiert wurde, dass die Sekundarschule über keinen gymnasialen Zug verfügen darf, kann sich auch die hiesige CDU für diese Schulform erwärmen.
Damit zeichnet sich jetzt bereits ab, dass die Stadt Frechen als Schulstandort relativ an Bedeutung verlieren wird! Alle Elternbefragungen belegen, dass Eltern eine Schule wünschen, die ihren Kindern, soweit sie nicht bereits über eine uneingeschtränkte Gymnasialempfehlung verfügen, längstmöglich den Weg zur allgemeinen Hochschulreife offen hält. Das hätte die Gemeinschaftsschule im grün-roten Gewand gekonnt, die schwarz-grün-rote Sekundarstufe kann dies nicht.
Ebenso belegen viele Elternbefragungen, dass die Reduktion der Schulzeit von 13 auf 12 Jahre von vielen Eltern weiterhin nicht akzeptiert ist.
Die bis Sommer 2011 mögliche Verlängerung der Gymnasialziet von 8 auf 9 Jahre wurde aus nachvollziehbaren (organisatorischen) Gründen durch das Frechener Gymnasium abgelehnt.
Die Gesamtschulen arbeiten regulär mit 13 Schuljahren.
Der Elternwunsch nach G9 muss daher durch andere Schulen an anderen Standorten befriedigt werden - Frechen hat weder G9 am bestehenden Gymnasium noch eine Gesamtschule.

Frechens Eltern werden aber, sobald die Pläne in Köln und Hürth realisieren werden, bald Alternativen haben, neben der Gesamtschule in Kerpen gibt es dann eine Gesamtschule in Hürth und eine weitere in Köln-Ehrenfeld, die zudem mit neuen pädagogischen Konzepten den Anforderungen der Inklusion gerecht werden will.

Vor diesem Hintergrund ist der grundsätzlichen Zustandsbeschreibung der Frechener CDU nicht zu widersprechen: Es stehen wichtige Projekte an die den zukünftigen Schulstandort Frechen betreffen und es ist richtig, die Eltern über deren Schulwunsch zu befragen.

Es wäre aber sinnvoll, Eltern zu befragen, inwieweit eine Gesamtschule für ihre Kinder eine attraktive Variante ist und sich darauf einzustellen, Frechens Schullandschaft um eine Gesamtschule zu erweitern. Die Sekundarschule ist, noch bevor sie richtig das Licht der Welt erblickt hat, nekrotisch.

Vielleicht ist das aber eine "conditio sine qua non" um in Frechen Akzeptanz zu finden.

Vielleicht ergibt sich daraus auch ein Slogan für's Stadtmarketing:
Frechen - wo Togeborenes länger lebt.

Nachtrag vom 6. Oktober 2011

ein überraschend guter Kommentar im Kölner Stadtanzeiger der in Bezug auf eine Großstadt wie Köln deutlich sagt, dass die Sekundarschule eben keine zukunftsweisende Schulform ist. Die Sekundarschule ist sinnvoll für ländliche Regionen mit rückläufigen Schülerzahlen nicht jedoch in Ballungsräumen mit wachsenden Schülerzahlen.
Auch wenn Frechen ein kleinstädtische Mentalität pflegt, Frechen ist Bestandteil des Ballungsraums und hat, wenn auch vermittelt und damit abgeschwächt, im schulpolitischen Bereich mehr Ähnlichkeiten mit Köln als mit den Eifler Landkommunen.

6.Oktober 2011; KStA Kommentar: Verwirrung auf allen Ebenen